Ca 5 Monate nach meiner Anmeldung war es nun soweit und ich bestieg das Flugzeug nach Berlin. Leider verliefen die Vorbereitungen nicht immer nach Wunsch und wurden durch diverse beruflich Auslandsaufenthalte, kleinere Verletzungen, Krankheit und durch das Polterwochenende von Wuz auf Malle negativ beeinflusst.
Mit gemischten Gefühlen und der Ungewissheit ob ich es schaffen werde bezog ich mein Hotel und machte mich gleich mal auf den Weg um den Weg und den Start-Zielbereich zu erkunden. Immerhin wollte ich nichts dem Zufall überlassen und konnte dies auch gleich mit Sightseeing verbinden.
Nach dem Bundestag und dem Reichstag gönnte ich mir noch eine Pause am Holocaust-Denkmal.
Ein Stück Berliner Mauer gehört natürlich zu einem Berlinbesuch.
Schließlich musste ich noch auf die Berlin-Vital-Messe wo ich meine Startunterlagen incl Startnummer, vorbestelltem T-Shirt und meine Portion Pasta abholen musste. Beim Ausfassen der Startnummer musste ich kurz mal anstellen da ein paar Leute vor mir waren.
Hier wurde mir erstmal bewusst was es bedeutet morgen gemeinsam mit 40.000 Anderen am Start zu stehen.
Wie bereits zuvor im Start – Zielbereich begann es auch hier auf der Messe zu kribbeln und es schlich sich das Gefühl von Vorfreude gemischt mit Nervosität ein.
Als ich dann abends wieder im Hotel ankam taten mir bereits die Füße weh. Ich gönnte mir noch ein Bierchen an der Hotelbar und bereitete meine Sachen für den großen Tag vor.
Zeitig um 05:30 hieß es aufstehen, denn immerhin musste ich Duschen, Frühstücken, zusammenpacken, auschecken und zum Start gehen. Es war schon ein verdammt cooles Gefühl auf der bereits für den Verkehr gesperrten 6-spurigen Strasse des 17.Juni, mit der Siegessäule im Rücken in Richtung Start zu gehen. Das Wetter war ausgezeichnet und bot mit 12°C ideale Läuferbedingungen. Da ich zeitig dran war hatte ich keinerlei Stress bei der Abgabe des Kleidersackes und die Toiletten waren auch noch sauber und es gab Papier!
Eine Stunde vor Start begab ich mich in den Startblock H wo die Rookies und die über 4:30 Std Läufer ihren Platz hatten. Es dauerte nicht lange und der Startbereich füllte sich und ich stand mit über 43.000 gut gelaunten Startern am Start.
Um 09:00 war es dann soweit und fern ab vom Block H ertönte der Startschuss und die Profis wurden losgelassen. Allen voran der Berlinliebling und spätere Sieger in neuer Weltrekordzeit HAILE Gebreselaisse.
Jetzt konnte ich es kaum noch erwarten endlich loslegen zu dürfen. Ca 20 Minuten nach dem ersten Startschuss überschritt auch ich endlich die Startlinie. So richtig fit fühlte ich mich wegen meinem leichten Schnupfen und verkrampften Beinen nicht, aber es gab nun kein zurück mehr. Ich habe lange darüber nachgedacht mit welcher Taktik ich die 42,195km hinter mich bringen sollte. Die Zeit spielte dabei weniger eine Rolle, ich wollte einfach nur durchkommen und da ich beim letzten Training nach 30km einen totalen Einbruch hatte war das nicht so gewiss. Ich verließ mich einfach auf mein Gefühl und lief das Tempo indem ich mich gerade wohl fühlte, bzw welches durchs Feld vorgegeben wurde. Meine Taktik lautete also „Laufen so lange es geht und dann gehen bis es wieder läuft“! Eine ganz besondere Atmosphäre gab es immer an den Labestationen wo man über einen Teppich von leeren Bechern läuft.
Was sich an der Strecke abspielte war genial. Über eine Million Zuschauer waren auf den Beinen und es gab keinen einzigen Streckenbereich an dem man nicht beklatscht, angefeuert oder von heißen Rhythmen begleitet wurde. Ich vertrieb mir die Zeit indem ich die Zuschauer beobachtete und mich an deren Transparenten amüsierte (zB.: „Schatz bring doch am Rückweg Bier mit“)! Es ist genial und unbeschreiblich wie man diese Stimmung als Läufer aufnimmt – Gänsehaut Feeling vom ersten bis zum letzten Meter. Wenn die Strecke etwas wellig wurde konnte man erahnen wie groß das Teilnehmerfeld ist da man bis zum Horizont nur Läufer sah. Nach 58 Minuten Sightseeing erreichte ich die 10km Marke und rechnete mir nun eine Zielzeit knapp unter 4:15 Stunden aus. Damit wär ich eigentlich recht zufrieden gewesen. Nachdem es allerdings über 42km sind, ist es sehr wage bereits nach dem ersten 10er Prognosen aufzustellen. So lief ich weiter und passierte gut 55 min später die 20km Marke ehe ich nach 1:59:13 die Halbmarathonmarke passierte. Mittlerweile überholte ich Leute die mehrere Blöcke vor mir starteten und die ständigen Rhythmuswechsel beim überholen sind äußerst ärgerlich. Dennoch konnte ich den dritten 10er am schnellsten laufen. Ich beobachtete meine Mitläufer und auch wenn es jetzt unsportlich klingt motivierte es mich wenn sie mehr litten als ich. Ich fühlte mich eigentlich noch ganz gut und begann mich erstmals mit einer Zeit unter 4 Std auseinander zu setzen, denn immerhin hatte ich für die letzten 12,195km noch fast 72 Minuten Zeit. Ich hatte vor dem Marathon alles gelesen was es gibt und war bestens vorbereitet. Ich schmierte mir in der Früh sogar Gel in die Haare damit der Wetlook beim Zielfoto besser rüberkommt, aber ich vergaß meinen Polar GPS Sensor mit vollen Batterien auszustatten und hatte nun mühe meine Geschwindigkeit zu kontrollieren und beizubehalten.
Bei km 35 merkte ich dass ich ein wenig nachgelassen hab und war mir nicht sicher ob ich noch genug Reserven hatte. Bei km 37 wusste ich nun, dass mir jetzt niemand mehr meinen Erfolg nehmen kann und ich war mir sicher dass ich das Ziel, in welcher Zeit auch immer, erreichen werde. Ich war zwar schon etwas angeschlagen aber es ging mir noch überraschend gut. Irgendwo zwischen km 37 und 38 kam aber dann der Einbruch. Von einer Sekunde auf die andere merkte ich wie mir nun der Akku ausging und ich kraftlos wurde. Leider war nun weit und breit keine Labestation und von jetzt an wusste ich, dass ich mich quälen muss und der Weg ins Ziel noch hart wird. Auch die Motivation spielte jetzt eine große Rolle, denn auch wenn die Atmosphäre noch so großartig ist wird es irgendwann langweilig. Mein 4 Std Ziel musste ich nun auch aufgeben, was mir allerdings zu diesem Zeitpunkt egal war. Bei km 40 gab es dann wieder eine Labestation mit Elektrolytgetränken. Meine Uhr zeigte eine Laufzeit von 3:47:21 was bedeutete dass die 4Std doch noch möglich waren. Ich biss die Zähne zusammen und erhöhte das Tempo, musste aber nach ca 50 Metern erkennen, dass es einfach nicht mehr schneller geht. Mir kam ein gelesenes Transparent in den Sinn auf dem Stand „der Schmerz vergeht, aber der Stolz bleibt“ und ich gab wieder Gas. Als ich dann in die Starsse „unter den Linden“ einbog und am Horizont bereits das Brandenburgertor sah gab ich nochmals alles. Die vielen Leute am Straßenrand hab ich nicht mehr wirklich wahrgenommen. Das Tor kam nur langsam näher und als ich dann durchlief sah ich bereits das Ziel und auch wenn die letzten 200 Meter endlos erschienen hatte ich noch Zeit den Zieleinlauf zu genießen. In diversen Laufsportmagazinen werden immer die letzten Meter eines Marathons als absoluter Höhepunkt beschrieben. In diesem Moment geht einem alles mögliche durch den Kopf und es ist ein gewaltig geiles Gefühl nach langer und nicht immer einfacher Vorbereitung diesen Moment erleben zu dürfen. Eins kann ich verraten, es ist geiler als ich es mir je erträumt hätte und jeder Trainingskilometer war es wert absolviert zu werden. Nach 3:59:51 überschritt ich die Ziellinie und hab mir somit einen lange gehegten Traum einen Marathon zu finishen erfüllt.
Danach gab es noch eine Finishermedaille, Redbull und was zu Essen. Nach einer Dusche und einer Massage streifte ich mir mein Finisher T-Shirt über, hängte mir meine Medaille um, kaufte mir eine 0,5 Meter Currywurst mit einem Bier und genoss es meinen ersten Marathon erfolgreich beendet zu haben.
4 Kommentare zu „Berlin Marathon (42,195 km)“
Sehr lässige Aktion und super geschriebener Bericht…
Hallo Flirsch!
Super Leistung! Sind stolz auf dich! Hätten nicht gedacht, dass du es schaffst! WOW!!
Toller Bericht! Du überraschst uns immer wieder!
Liebe Grüsse
Super Leistung & tolle Zeit – das war echt a…. knapp mit den 4 Stunden 🙂 Aber so kannst du immer sagen: Marathon – kein Problem: laufe ich unter 4 Stunden!!!!
lg. Birgit M.
….super leistung!!!!!trotz trainingsplanung war dieser aufgrund überraschender einflussfaktoren nicht ganz einzuhalten, aber ich hab immer fest daran geglaubt, dass du dieses ziel erreichst. wenn du dir was vornimmst, dann ziehst du das durch! wie gesagt: ICH war mir noch nie so sicher, wie bei DEINEM start in berlin. 😉
du kannst richtig stolz sein auf dich! glg dani